Warum das Ehegattensplitting die Hausfrauen-Ehe fördert und abgeschafft gehört

Ein Treffen mit Steuerberaterin Reina Becker in Ihrem Privathaus in Westerstede im April 2023. Friesischer Tee mit Gebäck, viel Zeit und ein tolles Gespräch. Die Steuerberaterin klagt vor dem Bundesgerichtshof dagegen, dass Alleinerziehende vom Ehegattensplitting ausgeschlossen werden, sie ist Mitbegründerin des Vereins Fair-für-Kinder und möchte den Kinderfreibetrag für alle Eltern per Klage erhöhen lassen. Außerdem ist Reina Becker selbst Witwe, hat allerdings aufgrund ihres Einkommens als Steuerberaterin nie Witwenrente erhalten, von Unterhaltsvorschuss für die inzwischen erwachsenen Kinder wusste sie seinerzeit – wie üblich – nichts. 

Das Ehegattensplitting ist mehr als Lohnsteuerklasse 3

Um zu verstehen, warum das Ehegattensplitting die Hausfrauen-Ehe fördert, muss man verstehen, was das Ehegattensplitting eigentlich ist. Ich habe in den letzten Jahren bestimmt 150 – 200 Personen persönlich dazu befragt und kaum eine:r konnte das korrekt beantworten. Denn das Ehegattensplitting ist weit mehr als eine Lohnsteuerklasse, so viel sei schon jetzt gesagt.

Splittingtabelle vs. Grundtabelle

In Deutschland gibt es zwei verschiedene Steuertabellen: die Splittingtabelle für verheirate Personen und die Grundtabelle für alle anderen. Nach der Splittingtabelle ist beispielsweise ein zu versteuerndes Einkommen von 30.000 € mit 1.162 € Steuern belastet, währenddessen dasselbe zu versteuernde Einkommen in der Grundtabelle sogar mit 4.446 € zu versteuern ist. 

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Steuerliche Fördergemeinschaft Ehe

Allein durch die unterschiedelichen Steuersätze in den beiden Tabellen werden alle Ehen in Deutschland steuerlich gefördert. Und zwar egal, ob diese Ehe Kinder hervorbringt oder nicht. Es wird also nicht die Familie gefördert, sondern die reine Ehe. 

Alleinerziehende vom Ehegattensplitting ausgeschlossen

Da Alleinerziehende keine Familie im steuerrechtlichen Sinne sind, egal ob verwitwet, geschieden oder gar nicht erst verheiratet, sind sie vom Ehegattensplitting ausgeschlossen. Das bedeutet in der Regel neben erbrechtlichen Themen, die sich Alleinerziehende und zukünftige Patchworkfamilien genauestens anschauen sollten, einen erheblichen Nachteil bei der Besteuerung. 

Steuerprogression

Den höchste Effekt des Ehegattensplitting erzielt eine Ehegemeinschaft dann, wenn ein Partner besonders hohe Einkünfte erzielt und der andere Partner besonders wenig oder am besten sogar gar keine Einkünfte erzielt. Warum ist das so?

Die gemeinschaftlichen Einkünfte in einer Ehe werden für die Steuererklärung zusammengezählt und dann wieder durch zwei Personen geteilt. Erst diese Zahl wird versteuert und kann bei einem hohen Einkommensgefälle den Prozentsatz der Steuern erheblich senken. Das nennt sich Progression:

  • hohes Einkommen = hoher prozentualer Anteil an steuerlichen Abgaben
  • niedriges Einkommen = niedriger (oder kein) prozentualer Anteil an steuerlichen Abgaben.

Der Effekt der Splittingtabelle

Haben also beide Eheleute wie im obigen Beispiel jeweils ein zu versteuerndes Einkommen von genau 30.000 €, werden die beiden Einkommen zusammen gezählt (60.000 €) und durch 2 Personen geteilt. Somit haben beide Eheleute nach wie vor ein zu versteuerndes Einkommen von 30.0000 € und der Effekt des reinen Splittings ist 0 €.

In dieser Konstellation hat das Paar vor der Hochzeit eine Steuerlast von zwei mal 4.446 € aus der Grundtabelle, also 8.892 € zusammen. Nach der Hochzeit hat das Paar bei exakt gleichem Einkommen (also 60.000 € als Paar) eine Steuerlast von 8.892 € aus der Splittingtabelle. Auch in absoluten Zahlen ist deutlich erkennbar, dass der Effekt des Ehegattensplittings bei Eheleuten, die in etwa gleich viel verdienen gen null ist. 

Ehegattensplitting_Splittingtabelle
Ehegattensplitting_Grundtabelle
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Der höchste Effekt des Ehegattensplittings

Der höchste Effekt des Ehegattensplittings entsteht dann, wenn einer der beiden Partner kein Einkommen mehr generiert, zum Beispiel aufgrund der Kinderbetreuung. Spielen wir das mal ganz traditionell durch:

Das Ehepaar entscheidet sich für (eins, zwei, drei, …) Kinder. Der Mann erhält eine Gehaltserhöhung und macht Karriere, die Frau bleibt aufgrund der Kinderbetreuung vollständig zu Hause und hat keine Einkünfte mehr. Daraus entsteht folgende Situation:

  • Einkommen Mann: 60.000 €
  • Einkommen Frau 0 €.
  • Gemeinsames Einkommen: 60.000 €

Alleine hätte der Mann mit diesem Einkommen eine Steuerbelastung von 14.680 € in der Grundtabelle. Er ist jedoch verheiratet und wird mit diesem Einkommen zusammen mit seiner Partnerin, die 0 € Einkommen erwirtschaftet hat, in der Splittingtabelle mit nur 8.892€ Steuern belastet. Aus der Sicht des Mannes hat sich die Hausfrauentätigkeite seiner Frau gelohnt: das Paar hat 5.788 € gespart, also 482,33 € pro Monat.

Ehegattensplitting_Splittingtabelle_60.000
Ehegattensplitting_Grundtabelle_60.000

Steuerersparnis auf Kosten der Mütter

Die Steuerersparnis durch das Ehegattensplitting ist also am höchsten, wenn der eine Ehepartner (sehr) viel und er andere Ehepartner (sehr) wenig – oder gleich – gar nichts verdient. Steuerlich gesehen ist es demnach äußerst lohnenswert, wenn einer der beiden Ehepartnern zu Hause bleibt, den Haushalt macht und sich um die Kinder kümmert.

Jetzt ratet mal, welches Geschlecht meistens zu Hause bleibt, weil sich arbeiten finanziell kaum mehr lohnt?

Das Ehegattensplittings gehört abgeschafft, weil…

… weil es die reine Ehe fördert, nicht aber die Familie und damit auch kinderlose Ehepaare nicht aber Alleinerziehende und ihre Kinder! 

Übrigens, verwitwete Alleinerziehende profitieren im Jahr des Todes und im darauffolgenden Jahr vom Witwensplitting, was steuerlich gesehen wie das Ehegattensplitting ist, nur das der Ehepartner eben verstorben ist. Mehr dazu findest Du hier. 

Sowohl die „klassische“ Alleinerziehende und verwitwete Alleinerziehende nach dem Witwensplitting zählen steuerlich gesehen als ledige Personen und werden mit dem Alleinerziehenden-Entlastungsbetrag in der Grundtabelle besteuert. 

Die Kosten des Ehegattensplittings trägt der Steuerzahler

Unser Finanzminister Christian Lindner von der FDP könnte hier deutlich einsparen, indem er das Ehegattensplitting endlich abschafft, statt Alleinerziehenden wie in der aktuellen Debatte um die Kindergrundsicherung vorzuwerfen, sie würden immer weniger arbeiten (diese Zahlen sind falsch, siehe offener Brief von den SOLO-Müttern, dem Verein Fair für Kinder, den Alltagsheldinnen und der MIA Mütterinitiative für Alleinerziehende).

Das Ehegattensplitting kostet den Staat laut Bundeszentrale für politische Bildung von 2020 jährlich 20 Milliarden Euro. Lisa Paus hat für die Kindergrundsicherung lediglich 12 Milliarden gefordert, um Kinder endlich langfristig aus der Armut zu holen. Der Kompromiss zwischen Herrn Lindner, der 2 Milliarden angeboten hat, liegt auch nicht in der Mitte von 12 und 2, sondern bei 2,4 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung. Damit werden laut Paritätischem Wohlfahrtsverband Kinder in Deutschland nur „etwas weniger arm“, Chancengleichheit ist damit keinesfalls geschaffen. 

Reina Becker und Inga Krauss

Inga Krauss und Reina Becker im April 2023, Westerstede

Warum wird das Ehegattensplitting nicht abgeschafft?

Jetzt kann man sich leicht vorstellen, warum zb. Bundestagsabgeordnete mit einem sehr hohen Gehalt kaum Interesse daran haben, das Ehegattensplitting abzuschaffen, da es genau diesen Personen mit Einkünften weit über den 100.000€ im Jahr sehr dient. 

Steuerberaterin Reina Becker im Podcast und in der örtlichen Presse:

In diesem Podcast spricht Reina Becker mit dem AE-Team über die Hürden und Fallstricke vom Ehegattensplitting und rät allen Alleinerziehenden in Lohnsteuerklasse 2 zu bleiben.

Podcast mit Reina Becker über die Besteuerung Alleinerziehender
Nordwest Zeitung, 22.06.2023
Ammerländer Nachrichten_22.06.2023

In der Facebook-Gruppe Gerechte HinterbliebenenRente findest Du Hilfe und Gleichgesinnte:

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