Wenn Krankheit verleugnet wird… 

Welche Folgen kann es haben, wenn eine totbringende Krankheit vom Partner verleugnet wird? Ich schreibe einen Blogbeitrag für Lila Santos Gomes auf https://ambidextria.de/ . Lila hat ihren 8-jährigen Sohn im Dezember 2022 nach nur einem Jahr an Krebs verloren und sie hat den gesamten Krankheitsverlauf gepostet. Ganz anders war das bei uns – mein Mann hat die Krankheit verleugnet. Wie man damit lebt und was Verleugnung mit den Partnern macht, schreibe ich heute hier für Euch. Und bald in meinem neuen Buch, was ich gerade schreibe! Mehr Infos zum Buch weiter unten, jetzt erstmal der Beitrag: 

Danke 4Real Photographie für dieses tolle Foto!

Ein Kind zu verlieren ist das Schwerste, was man erleben kann

Liebe Lila, Du schreibst über Euren gemeinsamen Weg von Alex Diagnose bis zum Tod und darüber, dass ihr das Euch verbleibende Jahr zu einem der Besten gemacht habt. Das ist wirklich toll und verdient jeden Respekt. Ein Kind in den Tod zu begleiten ist vermutlich das Schwerste, was man als Mensch erleben kann. Ich habe Euren Weg bei Facebook teilweise begleitet und war immer gleichermaßen betroffen wie auch begeistert von Deinen so offenen Beiträgen.

Die Krankheit verleugnet

Heute möchte darüber berichten, wie es ist, wenn man mit Krankheit nicht offen umgeht. Mein Mann ist am 14.01.2017 an Krebs verstorben, aber er hat seinen langen Weg in den Tod bis zum letzten Tag verleugnet. Lila, als wir beide uns im November 2019 für die Dreharbeiten für Rabenmütter oder Supermoms von ZDF neo kennengelernt haben, war Dein süßer Alex noch gesund und mein Mann bereits tot.

Trauer schon lange vor dem Tod

Ich hatte mich schon sehr lange vor dem Tod von meinem Mann verabschiedet – immerhin hatten wir über 4 Jahre von der Diagnose bis zum Tod und unsere Ehe war keinesfalls glücklich. Das bedeutet, dass ich schon lange vor dem eigentlichen Tod um meinen Mann getrauert habe. Ich trauerte um einen Mann, den ich geheiratet hatte, ein Bild, ein Wunsch und viele Vorstellungen, die nie Wirklichkeit geworden sind. Ich war traurig, dass mein Mann mich als Ehefrau und als Mama nie so sehr geschätzt hat, wie er es vor der Hochzeit als Mitarbeiterin und Kollegin getan hatte. Ich vergrub Träume und Hoffnungen, die sich nie bewahrheitet hatten. Ich vermisste ein Sexualleben, von dem vor allem mein Mann geträumt hatte, was wir nie hatten und welches wir mit einem von der Chemo geschundenen Körper auch nie haben würden. Und ich haderte damit, dass mein Mann seine vielen Versprechungen nicht einhielt.

Ich fühlte mich sehr einsam. 

Die Diagnose war vernichtend

Als wir die Diagnose bekamen, war ich mit beim Arzt. Es war niederschmetternd. Der Onkologe hat gesagt: „Mit dieser Diagnose haben Sie laut Statistik noch 2 Monate zu leben, wenn die Chemo nicht anschlägt, und 6 Monate, wenn die Chemo anschlägt. Sie fallen allerdings schon allein vom Alter her aus jeder Statistik raus“ so der Arzt und er lasse sich gerne von Wundern überzeugen. Unsere Kinder waren gerade 2 Jahre alt geworden bzw. 6 Monate alt. Mein erster Gedanke war, dass meine Kinder keine Erinnerungen an ihren Papa haben werden!!

Ein unverbesserlicher Optimist

Mein Mann teilte voller Hoffnung und Optimismus seinen großen Kindern nach der Diagnose mit, dass er Krebs habe, aber wieder gesund werde. Erst heute – 6 Jahre, nach dem mein Mann verstorben ist – erahne ich wie groß die Verleugnung tatsächlich war. Er wollte immer leben, er hat niemandem von der niederschmetternden Diagnose erzählt, vermutlich nicht einmal seinen Eltern. Vermutlich war ich auch deswegen so einsam: ich war die Einzige, die davon wusste und damit rechnen musste, dass mein Ehemann wird sterben müssen.

Wie reagieren – und was wissen – die Verwandten?

Noch zwei Wochen vor seinem Tod – mein Mann war inzwischen deutlich von der Krankheit gezeichnet – nahm mich sein Vater beiseite und fragte mich: „Kann man denn da gar nichts mehr machen?“ 

Am Dienstag, den 10.01.2017 wurde mein Mann ins Hospiz eingeliefert, die große Stieftochter flog erst am Dienstagabend australischer Zeit zurück nach Deutschland. Es war eine Zitterpartie, ob sie ihren Vater noch lebend würde antreffen können, da sie viele Stunden Flug vor sich hatte. Schlussendlich hatte sie es geschafft: sie kam am Donnerstag um 18 Uhr im Hospiz an – am Samstag früh nahm mein Mann seinen letzten Atemzug. 

Wenn ein möglicher Tod in dieser Familie ein Thema gewesen wäre, hätten man uns allen diese Zitterpartie ersparen können. Die Tochter hätte schon viel früher zurückkommen müssen und ich hatte ich bereits Wochen vorher dafür eingesetzt, mir wurde jedoch nicht geglaubt. Ich war aber die Einzige, die über den drohenden Tod reden konnte – und wollte. Allerdings wurde ich in den vorangegangenen vier Jahren mehrfach von der Familie in die Schranken gewiesen, dieses Thema doch bitte nur und ausschließlich meinem Mann zu überlassen (er könne das außerdem besser), vor allem gegenüber den großen Kindern. 

Noch an besagtem Dienstagabend nahm ich der Schwiegermutter ein Telefonat ab, was sie zuvor mit dem älteren Stiefsohn geführt hatte. Dieser fragte mich: „Der Papa ist ja heute ins Hospiz gekommen – wann kommt er denn da wieder raus?“ So gab es Situationen, in denen ich doch sagen musste, was ich nicht zu sagen befugt war.

Nur ein Krankenbesuch im Hospiz?!

Als am Mittwoch alle aus verschiedenen Ecken in Deutschland angereist kamen, hatte niemand eingeplant, eventuell zu übernachten. Es machte den Eindruck, als kämen sie, um einen Krankenbesuch nach einem Unfall mit einem gebrochenen Bein zu machen. Wieder war ich sehr schockiert, dass ich offensichtlich die Einzige war, die den Ernst der Lage sah – und davor Angst hatte. Aus heutiger Sicht ist die Reaktion der Familie eigentlich klar: Mein Mann hätte ihnen schon lange vorher sagen müssen, wie es um ihn steht.

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Die Frage nach der Beerdigung bringt Erleichterung!

Erst am Donnerstagabend im Hospiz wurde ich zum ersten Mal von der Schwester meines Mannes angesprochen, ob wir uns mal Gedanken über die Beerdigung gemacht hätten. Endlich schien der drohende Tod bei der Familie angekommen zu sein – endlich können wir darüber reden. Und endlich – konnte ich meine Kinder informieren!!

Erst jetzt kann ich die Kinder informieren!

Am Freitagvormittag im Kindergarten teilte ich meinen damals 4- und 6-jährigen Kindern mit, was ein Hospiz eigentlich ist und dass der Papa jetzt bald stirbt. Sie hatten die Wahl ihn nochmals zu sehen und zu besuchen oder im Kindergarten zu bleiben. Ich war so froh, dass ich meinen Kindern endlich die Wahrheit sagen konnte! Und dennoch hatte ich immer Angst, dass sie mit dieser Information sofort zu ihrem Papa rennen und sagen: „Du Papa, die Mama hat gesagt, dass Du stirbst“. Das ist nicht das, was in einer Familie passieren sollte – denn der Papa wollte von seiner Krankheit nichts wissen. Und ich spielte „das Spiel der Verleugnung“ seinetwillen inzwischen mit. Mein 4-jähriger Sohn blieb an diesem Tag im Kindergarten, rannte in die Gruppe rein und rief: „Mein Papa stirbt!“ Es war genau das geschehen, wovor ich Angst hatte.

Wenn nach dem Tod die Geheimnisse ans Licht kommen… 

Als mein Mann „endlich“ gestorben war, dachte ich, das Schlimmste läge hinter uns, aber die Jahre nach dem Tod waren deutlich schlimmer.

Hier nur ein Beispiel von einigen „Entdeckungen“:
Erst im Jahr 2023 stellte ich fest, dass mein Mann einen Behindertenausweis hatte. Ich hatte von dem Ausweis damals nur einmal am Rande etwas mitbekommen, mir war aber damals die Bedeutung eines solchen Ausweises nicht bewusst, vor allem die finanziellen Erleichterungen. Um unsere Finanzen hatte sich klassisch mein Mann eher gekümmert, bzw. wir hatten getrennte Konten. In keinem seiner Ordner waren nach seinem Tod Unterlagen zum Ausweis zu finden, geschweige denn der Ausweis selbst. Nun sah ich, dass der Behindertenausweis mit einem GdB von 100% in keiner der Steuererklärungen von 2013 bis 2017 eingereicht wurde, ab gesehen von allen anderen finanziellen Erleichterungen, wie geminderte Eintrittsgelder, GEZ-Gebühren oder gar Pflegegeld usw., die ein solcher Ausweis mit sich bringen kann.

Mein Mann war schlicht nicht krank. Er wollte leben – und nicht krank sein. So hat er gelebt bis zum Schluss. Koste es, was es wolle.

Wer trägt die Kosten einer Verleugnung?

Die Kosten trugen wir selbst, vor allem ich.

Die Verleugnung hat mich als Partner sehr einsam gemacht.

Vermutlich hat es auch meinen Mann selbst sehr einsam gemacht, wir konnten nicht an einem Strang ziehen. Wir konnten diesen Weg nicht gemeinsam gehen. Es tut mir in der Seele weh, aber wir konnten nicht gemeinsam kämpfen und wir konnten Familie und Freunde nicht integrieren. Die Verleugnung hat uns nicht zusammengeschweißt, sondern auseinandergetrieben – wir lebten zwei verschiedene Leben.

Auch wenn man nie weiß, wie man selbst nach einer totbringenden Diagnose reagiert, aber im Grunde war die Verleugnung der Krankheit sehr egoistisch.

Das hat viele Konsequenzen

Aus diesen Erfahrungen habe ich bereits jetzt eine Handlungsvollmacht für meine Kinder geschrieben. Sie erklärt ihnen oder ihrem gesetzlichen Vertreter bei einem unerwarteten frühen Tod von mir, was ich ihnen heute aufgrund des Alters noch nicht erklären kann: Was habe ich mir bei allen unseren Finanzen gedacht?

Diese Erfahrungen mit dem Tod, mit den Finanzen, mit dem neuen finanziellen Leben als Verwitwete Alleinerziehende – als Hinterbliebene – haben mich zu mich selbst finden lassen. Finanzen sind zu meinem Leben geworden!

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In der Facebook-Gruppe Gerechte HinterbliebenenRente findest Du Hilfe und Gleichgesinnte:

Weiterführende Links

Die Geschichte von Birgit könnt ihr hier nachlesen.

Was habe ich mit meinem Ehering gemacht? 

Wie ist Dein Hinzuverdienst Witwenrente 2023? Unter dem Menüpunkt Download findest Du eine Excel-Tabelle, mit der Du ganz leicht selbst ausrechnen kannst, ob oder in welcher Höhe die Kürzungen der Witwenrente für Dich ausfallen.

 

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